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Spielbesprechungen

Heavy Rain

heavyrain 1Zu Beginn dieses außergewöhnlichen Spielerlebnisses sucht der Architekt Ethan Mars seinen Sohn. In einem Einkaufszentrum verschwand dieser plötzlich. Die einzige Fährte stellt ein roter Ballon dar, dem es schnell zu folgen gilt. Spielerisch vermittelt dieser Anfang als Tutorial die Spielsteuerung. Deren Beherrschung gelingt rasch, der Sohn bleibt verschwunden. Und auch dies bringt die erste Spielphase bei: bei diesem Spiel gibt es nicht nur Gewinn, sondern auch Verlust. Scheitern als Spielergebnis gehört zum Computerspiel dazu. Weil es danach immer einen Neustart gibt, nur hier nicht. Das Spielerlebnis sitzt so tief, dass der Konsolist kein neues Spiel startet.

In einer US-Großstadt entführt der „Origami Killer“ seit drei Jahren kleine Kinder, welche einige Tage später, eine Papierfigur in der Hand haltend, ertrunken auftauchen. Gleich vier Hauptfiguren gewähren die Steuerung auf der Suche nach dem Killer von außen. Neben Ethan Mars einen drogensüchtigen FBI-Agenten, eine Journalistin und den Privatdetektiven Scott Shelby. Der „Origami Killer“ schickt Ethan Mars Aufgaben und Nachrichten. Dabei lautet die zentrale Frage „Wie weit bist du bereit zu gehen, um jemanden zu retten, den du liebst?“ Moralische Bedenken mischen sich in den Spielfluss und bremsen ihn. Absichtlich.

Spielfreiheiten erweitern das bisherige Konfliktlösungsspektrum. Helden brauchen hier Ladenräuber nicht gleich mit Gewalt bekämpfen. Der Einsatz unterschiedlicher Kommunikationsstrategien wendet Gewalt ab, eine „Darüber können wir auch reden“-Taktik belohnt mit einem anderen Schluss, welcher sich auch auf das spätere Spielgeschehen auswirkt. Die Spiel zeigt anfangs den normalen Alltag eines Mannes, der, noch nicht Held, mit seinen Kindern spielt oder seine Frau zärtlich berührt. Seinen ersten Sohn verlor Ethan Mars durch einen Unfall. Das Verschwinden seines zweiten Sohnes vertreibt die mühsam wieder hergestellte Normalität, das Ganze gerät zu einem Thriller, das Spielziel bleibt unklar. Das Programm gewährt die Möglichkeit eigene Entscheidungen zu treffen und zieht den Spieler für diese zur Verantwortung. Er selbst entscheidet, ob sein Spielheld abdrückt. Und er selbst wundert sich, warum er dann doch nicht schoss.heavyrain 2

Der spielbare Film liefert den Gegenpol zu den „Casual Games“, zu den winkenden und herum hampelnden Spielern vor dem Bildschirm, die manchen zu kurzweiligen und amüsanten Beobachtungen einladen. Die Grafik erinnert mit dem düsteren Himmel, dem ständigen Regen und Regenpfützen, in denen sich Neonreklamen spiegeln, an solche Film Noir-Atmosphären, wie die des Filmes „Blade Runner“. Der Held steht nicht nur glorreich auf dem Kampfplatz, ähnlich einem Voyeur folgt der Spieler im beim Gang in die Dusche oder auf die Toilette. Per Knopfdruck oder Analog-Controller benutzen, laufen, denken und kämpfen die Charaktere. Die minimalistische Steuerung reicht aus, um unterschiedlichste Situationen zu bewältigen. Mal ein Waffe halten, mal einen Schlips zu binden. Nicht die ekligen Anleihen bei solchen Filmvorlagen wie „Sieben“ oder „SAW“ beweisen eindeutig, dass es sich hier um ein Spielwerk für Erwachsene handelt. Die vom Spiel abverlangte Moral überfordert Kinder und Jugendliche.

Fazit: Ein düsterer interaktiver Film mit Tiefe, der nicht unbedingt zum erneuten Durchspielen einlädt.

Pädagogisches: Ohne Frage, ein Spiel für Erwachsene. Kinder können weder etwas mit der traurigen Film Noir -Stimmung etwas anfangen, noch mit der düsteren Geschichte. Die Charaktere sind so gezeichnet, dass Erwachsene sie verstehen. Die moralischen Entscheidungen sind für Erwachsene ein Spiel, für Kinder und ihr moralisches Gewisssen Stress. Ein Spiel ab 18. Oder vielleicht besser ab 30 oder gar ab 60, weil man schon etwas Lebenserfahrung mitbringen sollte?

Das Spiel ist aber von der Steuerung her toll gemacht. Keine Tasten-Combos, die der Spieler lernen muss, keine Tastendoppelbelegungen, an denen Ungeübte verzweifeln. Ein Spiel für Erwachsene eben.

Hier gerät der Held auch beim Klogang nicht aus den Augen des Spielers. Und wenn man dies spielt, frage ich mich, der immer beklagt, warum die Actionhelden eigentlich nie auf die Toilette müssen, ob diese Alltäglichkeiten nicht doch auslassenswert sind. Vielleicht braucht auch so ein virtueller Held Intimität. Diese Intimität zu verletzen ist kein gutes Vorbild für Kinder. Ein Spiel für Erwachsene, die keine Videohandys über Toilettentrennwände halten.

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(System: PS3/ Publisher: Sony/ Preis bei Erscheinen im Februar 2010: ca. 70 €/ USK: ab 16 Jahren)