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Spielbesprechungen

byte42-Spiel des Jahres: GTA Chinatown Wars

chinawars01 Ein Spiel des Jahres sollte innovativ, außergewöhnlich und trendy sein, es sollte Signale setzen und es sollte auf alle Fälle Spaß machen. Nur ein Titel erfüllte in den Augen des Kolumnisten all diese Kriterien in 2009. Rockstar wagte schon immer viel und ging oft bis ans Limit. Die geniale Spielbarkeit mit all der spielerischen Freiheit, welche die GTA-Reihe auszeichnet, zeigt die technischen Möglichkeiten der tragbaren Konsolen. Und macht sie zu Spielgeräten für Erwachsene. Denn bisher vergab die USK noch nie eine 18ner-Altersfreigabe für einen Nintendo DS-Titel. Rockstar schaffte das mit diesem Titel. Und weil die Erwachsenen den NDS immer noch nicht als Erwachsenen-Konsole anerkennen, verkaufte der Titel sich bisher noch nicht so gut. Rockstar knickte ein, brachte im Oktober die PSP-Version und der Erfolg stellt sich ein. Die PSP lieben auch junge Männer, die noch nicht verstehen, was der NDS für ein technisches Wunderwerk abliefert. Schnösel.

Die Story: Huang Lee jettet nach Liberty City, um seiner Verwandtschaft das wirklich ehrenvolle Schwert seines verstorbenen Vaters zu übergeben. Gerade in der Stadt angekommen, schießen Ungünstlinge auf Huang und versenken ihn mitsamt Auto im Fluss. Huang befreit sich schnell (auf der NDS-Version schlägt er mit dem Touchpen das Autofenster ein) und macht sich flugs auf, das Schwert zurück zu erobern und die Ehre wieder herzustellen. Dazu gilt es eine GTA-typische Gangsterkarriere einzuschlagen.
Huang arbeitet sich von Auftraggeber zu Auftraggeber bis ganz nach oben, fährt meist mehrgleisig und erledigt kuriose Einsätze und Missionen. Letzteres liegt am abgedrehten Missionsdesign, welches kreativer herkommt als das im Vergleich wesentlich ernster wirkende „GTA 4“ auf der großen Konsole. Einige Missionen aus den ersten Spielstunden: Der Asiate infiltriert mit einer TV-Reporterin eine Drogenfabrik, stiehlt Drogen von einem fahrenden LKW, rammt die Konkurrenten in einem Strassenrennen zu Klump oder benutzt ein Feuerwehrauto, um seinen Boss vor dem Wok zu bewahren. Zu den irren Aufträgen gesellt sich Selbstironie, wenn beispielsweise Huang sich mit süffisanten Bemerkungen über seine depperten Bosse lustig macht und dafür einen Anraunzer kassiert. GTA Chinawars
Neben den Story-Missionen gibt es natürlich viel Geld zu verdienen. In zahlreichen Lottogeschäften verprasst Huang sein Geld mit Rubbellosen. Durch Taxi fahren erhöht ehrlich verdientes Geld den virtuellen Kontostand. Aber auch illegale Straßenrennen oder Drogendeals bringen Kohle. Besonders der Drogenhandel entpuppt sich als beste Möglichkeit schnelles Geld zu machen. Und wer dann ins Nachsinnen kommt, warum der Taxiverdienst gegenüber dem Drogenverkauf so mau ausfällt, gerät in einen moralischen Konflikt. Ich schrieb es schon, dieses Spiel ist für Erwachsene, welche über diese Fähigkeit zur Reflexion verfügen (sollten).
Die Programmierung auf den kleinen Geräten bedeutet auch Verzicht auf Liebgewonnenes. Sprachausgabe und Radiosender fehlen. Comicartige Standbilder, Untertitel, Cel-Shading-Grafik und Retro-Perspektive entschädigen dafür. Und die vielen Minispiele, welche die Hardware des NDS hervorragend nutzen. Müllcontainer durchsuchen, Schrauben lösen, Schlösser knacken, Autos kurzschließen, alles mit dem Stylus auf dem Touchpad. Möglichkeiten, die Nintendo nie in den Sinn kamen. Auf dem PSP machen die Einlagen aufgrund Touchpad-Mangel nicht so viel Spaß, dafür glänzt hier die Grafik. Multiplayer? Selbstverständlich mit hohem Spaßfaktor und ohne Einrichtungszeit.

Fazit: Der Nintendo DS verlor seine Unschuld dank Chinatown Wars.

Pädagogisches: Das Spiel richtet sich an junge Männer, die sich hochkämpfen und von einem Leben voller Chancen und Ehre träumen. Von einer Welt, in der nicht lange diskutiert, sondern geschossen wird. Der Wilde Westen von früher findet heute in den virtuellen Städten von Rockstar Games statt. Von den Spielideen her eine Unterhaltungskanone… hmmm… Unterhaltungsbombe… hmmm… Stimmungsrakete? Von den Mitteln her, um ans Ziel zu kommen, ist es ganz klar ein Erwachsenenspiel. Klar wollen so etwas auch die Kids spielen. Aber, obwohl es auf dem Nintendo DS läuft, dem vermeinltichen Spielzeug für kleine Kids, ist es ein Erwachsenenspiel. Es verlangt moralische Entscheidungen, spielt mit unserem Verständnis von Recht und Unrecht und die Freiheit, dort alles zu tun, was die Programmierung ermöglicht, würde so manchen Jungen in tiefe Abgründe führen. Schade, dass Rockstar keine Spiele für Kinder programmiert, vielicht eine Art „GTA für Kinder“. Ich wette, dass dies ein Verkaufsschlager werden würde.
Das Spiel verwandelt den Nintendo DS vom Spielzeug in ein Spielgerät für Erwachsene. Diese Verwandlung beweist, dass die Software der dominante Faktor ist, nicht die Hardware. Die Software, die Bit und Bytes, verleihen dem Gerät eine Seele, nicht seine technischen Fähigkeiten. Danke, Jungs von Rockstar Games, dass ihr uns dies damit mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt habt.

Offizielle Site

(System: NDS (seit Oktober auch PSP)/ Publisher: Rockstar Games/ Preis: 20 € (25 €)/ USK: ab 18 Jahren)